Mag. Jürgen Sild ist seit 2001 bei der Bestattung Wien, seit zehn Jahren ist er Geschäftsführer des Unternehmens. Im AgeCare-Gespräch verrät er, warum rechtzeitige Vorsorge so wichtig ist, welchen Stellenwert Vertrauen und Qualität für die Hinterbliebenen haben und wie man das Tabuthema Tod mit einer Prise Humor ein bisschen leichter machen kann.
An seinen ersten Gedanken, als ihm die Stelle als Assistent der Geschäftsführung bei der Bestattung Wien angeboten wurde, kann er sich noch gut erinnern: „Klingt eigentlich sehr interessant“. Mag. Jürgen Sild war damals, wie er sagt, dem Thema gegenüber unbedarft und aufgeschlossen. Und er ist das bis heute geblieben.
Der Jurist, der niemals Anwalt oder Richter werden wollte, startete 2001 im Unternehmen und hat diesen Schritt nicht bereut. „Es war von Anfang an sehr spannend, vor allem weil das Bestattungswesen sehr viele Veränderungen erfahren hat und meine Tätigkeit überaus abwechslungsreich ist." Im Jahr 2000 wurde die Bestattung Wien zu einer GmbH als Tochter der Wiener Stadtwerke Holding AG. Zwei Jahre später kippte das einstige „Monopol“, es kam zu einer Liberalisierung der Gewerbeordnung, der Markt wurde für Mitbewerber geöffnet. Bestatter erhielten erstmals die Möglichkeit, ihre Leistungen auch werblich zu kommunizieren. „Zu meinen damaligen Aufgaben gehörte es, eine entsprechende Abteilung aufzubauen“, so Jürgen Sild. Eine Pionierleistung, die sich bis heute bewährt hat.
Von der Pressekonferenz zur Großveranstaltung
Den Startschuss machte eine Pressekonferenz zu Allerheiligen vor mittlerweile 18 Jahren. Die richtige Zeit, um ein sensibles Thema mittels Medien den Menschen näherzubringen. Es folgten zahlreiche Veranstaltungen, etwa die regelmäßige Teilnahme des Bestattungsmuseums an der „Langen Nacht der Museen“ oder das mittlerweile legendäre Konzert „Nachklang“, das alle zwei Jahre, immer im Juni, am Wiener Zentralfriedhof stattfindet. Bei der beliebten Veranstaltung, die vor der eindrucksvollen Kulisse der „Lueger-Kirche“ über die Bühne geht, werden Musikstücke der verschiedensten Epochen und Genres dargeboten. Was als Kleinkunst mit etwa hundert neugierigen Zaungästen startete, ist heute ein Großevent, den 5.000 Menschen besuchen. „Im Grunde ist es eine Leistungsschau“, so Mag. Sild, denn bei den Interpreten handelt es sich um hauptberufliche Sänger der Staats- und Volksoper, die – als Kooperationspartner der Bestattung Wien – unter dem Namen „Festklang“ auch bei Trauerfeierlichkeiten auftreten.
Ob Solisten oder 16-stimmiger Chor, viele Wünsche von Hinterbliebenen können bei einem Repertoire von immerhin mehr als 1.200 Liedern erfüllt werden. „Wir sehen uns als Institution, die die Bestattungskultur aufrechterhalten möchte. Zu dieser Kultur gehört auch eine schöne und würdige Abschiednahme“, betont Sild und wird damit zum Bewahrer von Tradition: „A scheene Leich´“– wie der Wiener zu sagen pflegt, wäre in der Stadt von Mozart, Strauss und Lanner nur halb so schön ohne die entsprechenden Melodien.
Individuelle Wünsche werden erfüllt
Parallel zu seinen Kommunikationsaufgaben ist Jürgen Sild, der seit nun mehr bald zehn Jahren an der Spitze der Bestattung Wien steht, auch für alle geschäftlichen Belange verantwortlich. Federführend war der Jurist an der Ausarbeitung der Benutzungsbedingungen der Aufbahrungshallen beteiligt, die – seit es zahlreiche private Bestatter gibt – für alle Nutzer gleichermaßen gelten. Ein Regelwerk, das österreichweit Vorbildwirkung hatte.
Auch die Neuorganisation der Bestattung Wien und Friedhöfe Wien im Jahr 2010 und die damit verbundene Aufteilung von strategischen und operativen Aufgaben fiel in seinen Aufgabenbereich. „Dabei mussten zahlreiche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, ich habe diesen Weg rechtlich begleitet.“ Von den zahlreichen Managementtätigkeiten bekommen die Kunden nichts mit. Und das ist gut so, geht es doch bei allen Maßnahmen ausschließlich darum, den Menschen – wie seit mehr als hundert Jahren – zuverlässig, seriös und absolut transparent in einer schwierigen und belastenden Lebenssituation zu helfen.
Und so ist es für den Geschäftsführer auch selbstverständlich, dass er über die vielen kleinen und größeren Wünsche und Sorgen von Hinterbliebenen bestens Bescheid weiß. Die Berücksichtigung der Individualität, so Mag. Sild, werde im Bereich der Bestattung immer wichtiger. Darauf habe man zeitgerecht mit entsprechenden Angeboten reagiert und sei, nicht zuletzt auch deshalb, bis heute das größte und wichtigste Bestattungsunternehmen Österreichs. Ob unvergängliche Diamanten aus der Asche von geliebten Verstorbenen, kostengünstigere Fingerprints und DNA, die in Schmuckstücke eingearbeitet werden oder Särge nach Wunsch von den Designerinnen des Sargateliers – möglich ist mittlerweile vieles. Auch beim Ablauf der Bestattung werden Sonderwünsche gerne erfüllt.
Rechtzeitig vorsorgen zahlt sich aus
Rund 200 Mitarbeiter sind im Unternehmen beschäftigt. Obwohl sie tagtäglich mit dem Tod konfrontiert sind, überwiegt der Stolz auf ihre Tätigkeit. „Wir sehen unsere Arbeit als letzten Dienst an den Verstorbenen und den Hinterbliebenen“, so Sild. Oft seien die Mitarbeiter mit überforderten Menschen konfrontiert. Nach ausführlichen Gesprächen könne diesen aber fast immer geholfen werden, eine Last falle ab, weil man sich in guten und seriösen Händen wisse.
Damit sich die Angehörigen im Todesfall eines nahestehenden, geliebten Menschen nicht mit nüchternen, oftmals anstrengenden, administrativen Aufgaben herumschlagen müssen, empfiehlt Jürgen Sild rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Je früher, desto besser. In einer der 15 Filialen der Bestattung Wien hat jeder die Möglichkeit, seinen eigenen letzten Weg zu planen. Welche Musik gespielt wird, welches Sargmodell es sein darf und in welchem Grab (Anm.: oftmals gibt es mehrere Familiengräber) die Beisetzung erfolgen soll. Wenn alle Details geklärt sind, gibt es einen Kostenvoranschlag. Der Betrag kann entweder zu Lebzeiten hinterlegt werden oder wird mittels Sterbeversicherung beglichen. So bleiben den Hinterbliebenen Bürokratie und finanzielle Überraschungen erspart. In diesem Zusammenhang ist es Jürgen Sild wichtig, das Thema Sterben stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern. „Niemand beschäftigt sich gerne damit, aber umso größer ist die Unwissenheit, wenn es zu einem Sterbefall kommt. Wir sollten uns vor Augen führen, dass der Tod uns alle einmal trifft.“ Aus diesem Grund sei Vorsorge so immens wichtig.
Enttabuisierung mit Humor
Grundsätzlich spreche man als Bestattung Wien zwei Gruppen an: Jene, die von einem aktuellen Sterbefall betroffen seien. Für sie gäbe es die gesamte Bandbreite an Hilfestellungen bei der Abwicklung der Bestattung. Und dann sei da noch die breite Allgemeinheit, der man das heikle Thema mit einem Augenzwinkern näherbringen möchte. Im Rahmen der Kampagne „Abschied leben“ zierten Sprüche wie „Letzter Halt. Wie es mir gefällt“ oder „Mozarts Requiem? Nur über meine Leiche“ Wiener Straßenbahnen und sorgten für Aufmerksamkeit.
Die Kommunikationsabteilung hat zudem Merchandising-Produkte entworfen, die man im Shop des Bestattungsmuseums sowie online erwerben kann: Von der Plüschfledermaus, bis zum Lego-Leichenwagen oder dem Turnbeutel mit der Aufschrift „Ich turne bis zur Urne.“ Und auch Schokolade aus dem Hause Zotter darf nicht fehlen, verziert mit dem Spruch „Lieber einebeißn, statt a Bankl reißn“. Die Zeit sei reif, das Thema offensiv anzugehen, ist Jürgen Sild überzeugt. Nur so könne man die Menschen an die vielfältigen Aufgaben der Bestattung heranführen und das Thema enttabuisieren.
Rund 10.000 Begräbnisse werden von seinen Mitarbeitern jährlich abgewickelt – ob es sich dabei um Bürger, Bauern oder Edelmänner handelt, spielt keine Rolle. Der letzte Weg – ob für Kaiserin Zitta, Staatsoberhäupter oder den Nachbarn von nebenan – sei für alle gleich, auch wenn es Unterschiede in der Ausführung gäbe. „Unsere hohen Qualitätsansprüche gelten für jeden – und das wird auch so bleiben“, verspricht der stolze Vater einer drei Monate alten Tochter, die viel Leben in den Alltag von Österreichs obersten Bestatter bringt.