
Das ewige Leben: Ein Mythos und ein Traum – oder schon bald Realität? Molekularbiologin Univ.-Prof. DDr. Helena Schmidt hält es irgendwann für möglich. Momentan sucht sie aber nach einem Weg, das gesunde Leben zu verlängern. Was in ihrer Studie erforscht wird, wie das Altern funktioniert und was wir für ein gesunden Leben tun können erzählt sie im AgeCare-Interview.
Was ist Altern aus wissenschaftlicher Sicht?
Man kann Altern aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Es gibt hunderte verschiedene Alterungsmuster bei den unterschiedlichen Spezies. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass im Alter eine Zunahme der Mortalität und eine Abnahme der Reproduktionsfähigkeit stattfinden. Für das Individuum bedeutet das also: je älter man wird, desto mehr nehmen körperliche und geistige Funktionen ab. Die körperliche Belastbarkeit verringert sich. Das führt dann zum Versagen eines Organs – meistens das Herz – woran die Person dann stirbt. Wir sterben also an Krankheiten, die auf das Altern zurückzuführen sind.
Auf molekularer Ebene lässt sich das Altern so erklären, dass die Schädigungen, die dem Körper zugefügt werden, und deren Reparatur in einem Gleichgewicht sind. Das Altern beginnt dann, wenn dieses Gleichgewicht nicht mehr existiert. Die Fähigkeit, sich zu regenerieren nimmt mit dem Alter ab und auch das Immunsystem wird schwächer.
Das Altern hängt aber auch von äußeren Faktoren ab. Von der Umgebung, der Ernährung, dem Körpergewicht. Und natürlich auch von den Genen. Bis zum Alter von etwa 85 Jahren spielt die Lebensweise die größte Rolle bei der Gesundheit. Ab 100 hängt es zu einem sehr großen Teil von den Genen ab.
Was wissen wir bisher über das Altern von Menschen?
Wir kommen gerade erst in die Ebene, das Altern zu verstehen. Vor fünf Jahren wurde ein Gerät – die epigenetische Uhr – entwickelt, mit dem man erstmals das biologische Alter einer Person genau feststellen kann. Als wir 2010 die Graz-Studie begonnen haben, war das Altern der Menschen noch relativ unerforscht. Ein Grund dafür ist, dass Menschen so lange leben. Bei einem Tier, das relativ kurzlebig ist, ist es einfach die Mortalität festzustellen. Bei Menschen muss man aber recht lange warten, damit man das feststellen kann. Außerdem haben wir eben erst seit Kurzem gute Messgeräte dafür.
Suchen Sie bei Ihrer Studie auch nach dem ewigen Leben?
Sagen wir mal so: Wenn wir nicht an dem Altern sterben, woran sollen wir sonst sterben? Ich hoffe auf jeden Fall, dass wir nicht nur eine Möglichkeit finden, das Leben zu verlängern, sondern vor allem das gesunde Leben zu verlängern. Denn momentan verbringt man durchschnittlich 20-30 Prozent seines Lebens in einem Zustand, in dem einen Alterswehwehchen plagen. In den letzten 100 Jahren hat die Länge dieses Lebensteils stark zugenommen. Immerhin hat sich die Lebenserwartung an sich seit damals alle zehn Jahre um zweieinhalb Jahre verlängert.
Halten Sie das ewige Leben überhaupt für möglich?
Obwohl man danach gesucht hat, hat man noch kein genetisches Programm in unserem Genom gefunden, das uns umbringt. Es gab natürlich die Hypothese, dass es genetisch veranlagt ist, dass die ältere Generation der jüngeren Platz machen muss, aber daraus gibt es bisher keinen Hinweis. Im Gegenteil: Es gibt sogar Mechanismen in unserem Genom, die gegen den körperlichen Verfall arbeiten. Aber es gibt noch kein Programm, das aktiv dafür sorgt, dass wir altern. Das spricht also dafür, dass wir vielleicht tatsächlich ewig leben könnten. Es gibt auch schon Spezies, die ewig leben. Der Tod ist also nicht immer eine fixe Folge des Lebens. Momentan sind die realistischen Ziele für uns aber, die gesunde Lebensspanne zu verlängern.
Was kann momentan gegen das Altern getan werden?
Die Medizin ist mittlerweile so weit, dass wir Menschen helfen können, die in der Blüte ihres Lebens krank werden. Wir können heute Menschen retten, die vor hundert Jahren noch an ihren Krankheiten gestorben wären. Jetzt ist unser Ziel 70- bis 80-Jährige im Leben zu halten, die schwer krank sind. Aber wird eine Krankheit behandelt, dann kommt in dem Alter ein paar Jahre später die nächste zum Vorschein. Wir würden der Person lediglich ein paar zusätzliche kranke Jahre schenken. Deshalb versuchen wir, das Altern an sich zu bekämpfen. Unsere beste Chance wäre es, das Altern zu verlangsamen. So kann man dem betroffenen gesunde Lebensjahre schenken. Das kann auch dem Gesundheitssektor viel Geld sparen. Medizinisch ist das aber momentan noch nicht möglich. Hier muss jeder selbst etwas tun.
Was kann man tun, um lange gesund zu bleiben?
Ein Mensch, der sich gesund ernährt, Sport treibt und nicht übergewichtig ist, kann bis zum Alter von 85 ein gesundes Leben führen. Das bedeutet auch der Verzicht auf Alkohol und Rauchen. Sehr gesund ist auch das Fasten. Kurzer und kontrollierter Stress, wie er eben zum Beispiel beim Fasten oder Sport auftritt, bringt den Körper dazu sich zu regenerieren. Intervallfasten ist da eine gute Möglichkeit – also 14-16 Stunden am Stück auf Mahlzeiten zu verzichten. Das reicht auch schon zwei Mal in der Woche. Auch Saunabesuche – speziell der Wechsel zwischen heiß und kalt – setzen dem Körper ein Signal zu Regeneration. Dieser Stress sollte aber nicht jeden Tag ausgelöst werden, damit unser Körper ihn bewältigen kann. Aber weil das menschliche Altern noch nicht besonders gut erforscht ist, lässt sich sehr schwer sagen, was sonst noch Einfluss darauf hat. Eines ist aber sicher: Es ist nie zu spät, Gegenmaßnahmen zu setzen. Auch in fortgeschrittenem Alter kann man mit Bewegung und gesunder Ernährung noch positive Ergebnisse erzielen und gegen das Altern ankämpfen.
Die Graz-Studie:
Die seit 2010 existierende Studie zielt darauf ab, das Altern komplett zu erfassen. Es soll herausgefunden werden, wie die Organe, das Herz-Kreislauf-System, Haut und Haare und der Bewegungsapparat sich entwickeln. Besonders interessant sind die Veränderungen im Alter. Zusätzlich wird mit Fragebögen die Persönlichkeit, die Einstellung zum Leben und der Lebensstil der Personen erfragt. Mit diesen Daten sollen die Kernprozesse des Alterns herausgefunden werden und was wie darauf Einfluss nimmt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den lokalen Faktoren. Die Studie ist allerdings noch in der Anfangsphase. Das Pilotexperiment mit 100 Teilnehmern und Teilnehmerinnen wurde gerade erst beendet. In der nächsten Phase sollen bereits 3.000 Menschen genau untersucht werden.