Sexualität und körperliche Nähe trotz Inkontinenz

Sexualität ist ein sehr wichtiger Faktor für ein glückliches, erfülltes Leben und allgegenwärtig. Mit Freunden oder am Stammtisch wird gerne ausführlich darüber gesprochen.

In der Partnerschaft hingegen ist das Äußern von Wünschen, Ängsten, Bedürfnissen und Anliegen oft ein schwieriges Unterfangen. Erst recht, wenn eine körperliche Veränderung wie eine Inkontinenz vorliegt. 

Inkontinenz ist häufig und kann Menschen aller Altersgruppen, jedes Geschlechts aus den verschiedensten Gründen betreffen: „Ein Kontinenzproblem kann durch das Nachlassen von Körperfunktionen entstehen sowie Folge einer Erkrankung wie etwa Diabetes und Multiple Sklerose (MS) oder einer Behandlung wie eine gynäkologische und urologische Operation sein.

Auch Schwangerschaft und Geburt sind ein Risikofaktor für eine geschwächte Blasenfunktion oder einen undichten Darm“, beschreibt die Kontinenz- und Stomaberaterin sowie ausgebildete Sexualberaterin Kornelia Buchner-Jirka. Inkontinenz ist ein sehr schambehaftetes und tabuisiertes Thema.

Betroffene ziehen sich häufig aus dem sozialen Leben zurück. Die Angst vor Inkontinenzpannen oder das Gefühl der Unsauberkeit macht auch Sexualität oft schwer oder gar unmöglich. „Es geht um den Verlust von Würde, Selbstachtung und um Scham. Inkontinenz verändert die gewohnte Form der sexuellen Begegnung und stellt eine große Herausforderung für das betroffene Paar dar“, so die Expertin.

Vielfältige Hilfe für guten Sex

Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, wie man trotz Beeinträchtigung wieder eine befriedigende Sexualität erleben kann. Vorab gilt: Jede Form der Inkontinenz muss fachärztlich abgeklärt werden.

Weiters ist das Gespräch mit dem Partner ein wichtiger erster Schritt, denn Rückzug und Zurückweisung aus Scham führt immer zu Missverständnissen. Speziell ausgebildete Kontinenz- und Stomaberaterinnen (KSB) mit Zusatzausbildung Sexualberatung können hierbei unterstützen und über die Vielzahl an Hilfsmitteln beraten.

So gibt es beispielsweise sehr diskrete saugende Einlagen für Männer und Frauen, die praktisch unsichtbar sind und einige Tropfen Harn bzw. eine geringe Stuhlverschmutzung auffangen können. Dieser „Höschen-Retter“ ist in diversen Drogeriemarkten erhältlich und wird unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr entfernt. Aber auch für ein größeres Problem gibt es die individuell passende Hilfsmittelversorgung. 

Menschen mit einer Blasenentleerungsstörung brauchen mitunter einen Katheter, der über die Harnröhre eingeführt wird. Ist dies ein sogenannter Dauerkatheter, ist die Genitalregion „belegt“. „Eine Alternative wäre zum Beispiel ein suprapubischer Katheter, der über einen kleinen Bauchstich in die Blase eingebracht wird. Für die Zeit der sexuellen Begegnung könnte man ein Katheterventil anwenden – alles verborgen unter schöner Wäsche“, empfiehlt Buchner-Jirka.

Eine andere Möglichkeit sind Einmalkatheter: „Wenn die Blase grundsätzlich dichthält und nur in gewissen Situationen nicht oder nicht ausreichend entleert werden kann, kann der Einmalkatheterismus angewendet werden.“ Die Blase kann damit zu einem selbst gewählten Zeitpunkt entleert werden. Die verfügbaren Produkte sind sehr diskret, einfach in der Handhabung, die man unter Anleitung einer Kontinenz- und Stomaberaterinnen erlernt, und geben Freiheit im Alltag. Auch einer spontanen Sexualität steht damit weniger im Weg.

Eine Darmschwäche ist besonders schwer zu verstecken – sowohl optisch als auch geruchstechnisch. Mithilfe einer ärztlichen Abklärung und anschließenden Therapie sowie einer Beratung durch eine Kontinenz- und Stomaberaterin kann auch dieses Problem in den Griff bekommen werden.

Die Anwendung von Entleerungshilfen wie Zäpfchen, die richtige Entleerungsposition, eine sogenannte transanale Irrigation (Spülung des Dickdarms mit Wasser), Stuhl eindickende oder abführende Maßnahmen etc. geben Betroffenen die Kontrolle über Zeitpunkt und Ort der Stuhlentleerung zurück.

Analtampons halten während der intimen Begegnung den Stuhl zurück. Weiteres gibt es Medikamente, die – nach ärztlicher Abklärung – vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden können. Sie beruhigen die Darmmotorik und unterstützen den Verschlussmechanismus des Darmschließmuskels.

Ein paar allgemeine Tipps der Expertin:

  • Vor einem intimen Date sollte allzu üppiges Essen vermieden werden, denn dadurch werden Blase und Darm stark angeregt.
  • Vorsicht mit Alkohol. Wenn, dann eher nur sehr kleine Mengen, denn Alkohol regt die Harnausscheidung sowie die Darmtätigkeit an.
  • Blase und Darm unmittelbar vor sexueller Aktivität entleeren – das gibt Sicherheit und hilft zu entspannen.

„Ganz wichtig: Nicht auf den Humor vergessen, wenn trotzdem einmal was passiert. Sex ist schließlich keine todernste Sache, sondern sollte genussvoll und schön sein!“, so Buchner-Jirka abschließend.

Welt-Kontinenz-Woche: aktiv gegen das Tabu

Die Woche von 21. bis 25. Juni steht als „Welt-Kontinenz-Woche“ im Zeichen der Inkontinenz. Ziel ist, betroffene Menschen über die Möglichkeiten der Behandlung zu informieren und das schambesetzte Leiden ein Stück weit aus dem Tabu zu holen.

Die Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) ist dazu in Österreich aktiv, informiert täglich per Online-Video und verschickt ein kostenloses Info-Paket mit Tipps für die Erhaltung bzw. Wiedererlangung einer gesunden Blase und eines gesunden Darms.

„Unser Ziel ist es, mehr Bewusstsein für das immer noch stark tabuisierte Thema Inkontinenz zu schaffen und Informationen anzubieten, die zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten beitragen“, so OÄ Dr. Michaela Lechner, Präsidentin der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) und Fachärztin für Chirurgie mit Spezialgebiet Proktologie.

Mehr Information über alle Aktivitäten der MKÖ im Rahmen der Welt-Kontinenz-Woche: http://www.kontinenzgesellschaft.at/wcw.htm

Kontakt zu spezialisierten Kontinenz- und Stomaberaterinnen in ganz Österreich finden Sie auf www.kontinenz-stoma.at

Foto: vectorfusionart/Shutterstock

 

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