Besiegen Sie erfolgreich Ihre Ängste

Wie Sie sich von Ängsten, Sorgen und Stress befreien. Einfache und wirkungsvolle Strategien, mit der Angst umzugehen von Psychotherapeutin und Autorin Jennifer Shannon.

Millionen leiden unter Panikattacken. Angststörungen zählen neben Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Schweißnasse Hände, Herzrasen, Schwindelgefühle, Atemnot: Jeder hat das schon einmal in Ausnahmesituationen erlebt. Angst als Dauerzustand schränkt jedoch das Leben massiv ein. In den seltensten Fällen haben plötzlich auftretende Ängste körperliche Ursachen. Vieles spielt sich ausschließlich im Kopf ab. Der Geist springt wie ein Affe von Baum zu Baum und gibt keine Ruhe.

Es hilft nicht, die Ursachen für die Panik zu analysieren und zu wissen, warum Ängste und Sorgen entstehen. Auch Entspannung befreit nicht davon. Denn der Grund für die Panikattacken ist nicht annähernd so wichtig wie unsere Reaktion darauf. Es liegt an uns, ob wir auf die sorgenvollen Gedanken eingehen oder nicht.

Jennifer Shannon ist selbst betroffen. Erst mithilfe der kognitiven Verhaltenstherapie bekam sie ihre Ängste in den Griff. Sie erklärt, wie wir belastende Überzeugungen aufdecken und verändern und dadurch Resilienz, Lebensqualität und Seelenfrieden finden können.

Warum ist der ‚Affengeist‘ der Ursprung der beharrlichen Ängste und Sorgen?

Seit Tausenden von Jahren haben Gelehrte den menschlichen Geist mit einem Affen verglichen – dem Monkey Mind– der von einem Gedanken zum anderen springt, wie ein Affe von Ast zu Ast, der niemals zufrieden ist, niemals zur Ruhe kommt. Die Sorgen hallen in unseren Köpfen wider wie Affengeschnatter. Machtvolle Gefühle lassen uns blindlings nach allem greifen, was ein wenig Erleichterung verspricht. Doch eine echte Befreiung von der Last scheint sich stets außerhalb unserer Reichweite zu befinden.

Warum hilft es nicht, die Ursache der Ängste zu analysieren? Diesen Ansatz verfolgen doch die meisten Therapien.

Ich leide selbst seit meiner Kindheit an Angstattacken. Alles, was ich ausprobierte, um den Ursachen auf die Spur zu kommen und sie zu beseitigen, erwies sich als Fehlschlag. Dann entdeckte ich das Buch Don’t Panic von Reid Wilson. Er führte mir vor Augen, dass der Grund für meine Panikattacken nicht annähernd so wichtig war wie meine Reaktion darauf. Die zahlreichen Versuche, das Problem zu beheben – analysieren, herumrätseln, sich mittels Entspannungsübungen davon befreien –, hatten die Situation in Wirklichkeit nur verschlimmert.  

Wilsons Ansatz beruht auf der kognitiven Therapie. Was bewirkt diese?

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) befasst sich weniger mit der Frage, wie sich Probleme entwickelt haben, sondern welche Faktoren sie aktuell untermauern. Es geht dabeidarum, sich über seine Gedanken und Erwartungen klar zu werden, um nicht zutreffende und belastende Überzeugungen aufzudecken und zu verändern. Mithilfe meiner persönlichen Erfahrungen und Beratungen machte ich eine ‚kognitive Umstrukturierung‘ – also einen grundlegenden Wandel in meinem Denken, Fühlen und Handeln. 

Warum sichern alle Maßnahmen, die Angst abzubauen, letztlich ihren Fortbestand?

Ängsten mit Widerstand, Vermeidungsstrategien oder Ablenkungsmanövern zu begegnen übermittelt dem Gehirn die falsche Botschaft. Solche Reaktionen heizen den Kreislauf der Ängste und Sorgen nur an, führen unweigerlich zu einer höheren Dosierung. Sie sind Futter für den Affen. Es spielt keine Rolle, ob Sie wirklich überzeugt sind, Ihre persönliche Sicherheit stünde auf dem Spiel, Sie reagieren, als bestände eine echte Gefahr. Sie können noch so clever sein, alles wirkt verzerrt, wenn Sie es durch die Brille der Angst betrachten.

Welche Fehleinschätzungen bewirkt der Affengeist?

Wenn uns der Affengeist in Geiselhaft nimmt, unterlaufen uns zwei einfache Fehler. Erstens überschätzen wir die Bedrohung. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lastwagen uns überrollt, wenn wir auf die Straße gehen? Praktisch gleich null, aber Sie verlassen sich auf die wilden Mutmaßungen des Affengeistes: Sieht für mich nach potenzieller Gefahr aus! Der zweite Fehler ist, dass wir unsere Fähigkeit unterschätzen, sowohl mit den negativen Gefühlen, die der Affenalarm auslöst, als auch mit der Bedrohung umzugehen, sollte tatsächlich eine vorliegen. Die Möglichkeit eines Unfalls ist allgegenwärtig, egal ob wir eine Straße überqueren oder auf eine Leiter steigen. Aber das Leben ist nicht automatisch dem Untergang geweiht, wenn sich eine Bedrohung als Realität erweist.

Wie löse ich mich aus den Fängen meiner manipulierenden Gedanken?

Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Ängste als Fehlalarm und Ihre furchtsamen Gedanken als Affengeschnatter zu betrachten, hat der Selbstheilungsprozess bereits eingesetzt. Sie haben begriffen, dass der Affengeist ein Teil von Ihnen ist, der nur seine Arbeit verrichtet, aber Sie mehr sind als der Affe mit seinen EinflüsterungenSich dieses Unterschiedes bewusst zu werden schafft eine Distanz zwischen demjenigen Teil Ihres Selbst, der auf Bedrohungen hyperaktiv reagiert, und dem rationalen Teil Ihres Selbst, der Ihre Gedanken, Gefühle und physischen Empfindungen registriert und lernt, sich wenn nötig über sie hinwegzusetzen.

Was schürt unsere dauerhaften Ängste?

Drei Annahmen werden weltweit von angstbesessenen Menschen geteilt. Die Unfähigkeit, Ungewissheit zu ertragen: Ich muss zu hundert Prozent sicher sein, Perfektionismus: Ich darf keine Fehler machenund übertriebenes Verantwortungsbewusstsein: Ich bin für jedermanns Glück und Sicherheit verantwortlich. Diese Annahmen beinhalten Maßstäbe, die unerreichbar sind. Je mehr wir uns bemühen, unser Leben daran auszurichten, desto größer werden unsere Ängste und Sorgen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Risiken eingehen, die erforderlich sind, um ein freies Leben zu führen und unsere Träume zu verfolgen.

Warum fördern Sicherheitsstrategien in Wahrheit Angst und Probleme?

Alles, was wir tun, um negative Gefühle zu vermeiden, zu bekämpfen oder uns von ihnen abzulenken, bezeichne ich als Sicherheitsstrategien.Erinnern Sie sich, wie Sie als Kind die Daumen gedrückt haben in der Hoffnung, Ihre Eltern würden Ihnen ein Eis kaufen? Wenn sie nicht anhielten, haben Sie Ihren Wunsch vergessen, aber wenn er in Erfüllung ging, war Ihre Schlussfolgerung: Wir haben Eis gegessen, weil ich die Daumen gedrückt habe!Vielleicht haben Sie sich auch für etwas verantwortlich gefühlt, was Sie gar nicht verursacht haben, wie: Meine Mutter hat eine Magen-Darm-Grippe, weil ich ungehorsam war. Wenn die Angst uns in Geiselhaft nimmt, werden unsere Gedanken kindlich und abergläubisch. Wir ordnen sämtliche Ergebnisse unserem eigenen Verhalten zu. Wenn Sie eine Sicherheitsstrategie anwenden, die zufälligerweise ihren Zweck erfüllt, schließen Sie unbewusst daraus: Ich bin sicher, weil ich Vorkehrungen getroffen habe! 

Wie kann man den Teufelskreis durchbrechen?

Dafür müssen wir als Erstes den Affengeist-Modus auf den Kopf stellen. Annahmen wie Ich muss absolut sicher sein, Ich muss perfekt sein und Ich bin für alles und jeden verantwortlich gilt es in Affirmationen umzuwandeln, wie Ich bin gewillt, mit der Ungewissheit zu lebenIch gestehe mir Fehler zu und Ich bin nur für mich selbst verantwortlich. Ich habe sowohl auf der beruflichen als auch auf der privaten Ebene festgestellt, dass zuerst neue Erfahrungen gesammelt und im Gedächtnis abgespeichert werden müssen, bevor diese neue Denkweise Standard werden kann. Es gibt keinen Ersatz für das ‚Lernen durch Handeln‘. Sie träumen vielleicht davon, bei einem Marathon mitzulaufen, aber Sie glauben erst dann, dass Sie es schaffen könnten, wenn Sie Ihre Laufschuhe angezogen und regelmäßig trainiert haben.

Wie können negativen Gefühle konstruktiv bewältigen und dadurch Ängste abbauen?

Wenn wir entscheiden, negative Gefühle als unerlässlichen Teil des persönlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesses zu akzeptieren, leisten wir drei nachhaltigen Erfahrungen Vorschub: Wir lernen daraus, dass wir unsere Gefühle bewältigen können. Wir widersprechen dem Affengeist, der eine Bedrohung wahrnimmt, und bringen ihm durch entsprechendes Training bei, dass wir die Situation voll im Griff haben. Wir befreien uns aus seinen Fängen, gehen eigenständig und zielgerichtet unseren Weg, erlauben Ängsten und Sorgen nicht, uns den Kurs vorzuschreiben. Stattdessen lösen wir in fünf Schritten die Probleme:

1. Das Problem identifizieren.

2. Vier Lösungsmöglichkeiten auflisten.

3. Die kurz- und langfristigen Folgen jeder Handlungsoption überprüfen.

4. Den besten Aktionskurs wählen und umsetzen.

5. Das Ergebnis auswerten. Sich selbst auf die Schulter klopfen, weil Sie bereit waren, etwas Neues auszuprobieren!

Was erwartet uns, wenn wir den Alarmsignalen bei jeder vermeintlichen Bedrohung mehr Widerstandskraft entgegensetzen?

Wenn wir das Sicherheitsstreben, dem der Affengeist allerhöchste Wertigkeit zuordnet, mit unseren eigenen persönlichen Werten wie Engagement, Offenheit, Humor, Kreativität, Mut, Unabhängigkeit, Flexibilität, Authentizität oder Liebe außer Kraft setzen und Situationen einplanen, in denen wir die Umsetzung dieser Wertvorstellungen trainieren, führen wir ein zielbewusstes und zielführendes Leben. Wir erfahren wachsende Empathie und Selbstachtung, erhalten Widerstandskraft gegenüber Rückschlägen, haben Raum für Freunde und finden Seelenfrieden und volle Präzenz.

Foto: Jennifer Shannon

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