AgeCare-Herausgeberin Barbara Mucha im Interview

Wie entstand die Idee zu AgeCare?

Aus einem familiären Anlassfall. Mein 85-jähriger Vater kam wenige Tage nach dem Osterfest ins Krankenhaus, da er plötzlich geistig verwirrt und in der Nacht auf dem Weg zur Toilette stürzte war. Im Spital konfrontierten uns die Ärzte mit der Tatsache, dass er unbedingt professionelle Pflege und Betreuung brauche. Wegen der vielen Medikamente, die er aufgrund einer Bypass-Operation seit zwölf Jahren einnehmen muss, hatte sich sein Allgemeinzustand verschlechtert. Dazu kamen seine Vergesslichkeit und Diabetes. Mein Vater war immer sehr agil – körperlich und geistig. Sein Zustand hat uns natürlich in große Sorge versetzt. Diese neue Situation und alle damit verbundenen Fragen und Schwierigkeiten haben mich dazu bewogen, mich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen, um Betroffenen einen Überblick zu verschaffen.

Für welche Art der Pflege haben Sie sich entschieden?

Da meine Mutter zwar sehr fit, aber auch schon über 80 Jahre alt ist, entschieden wir uns für einen Platz im Pflegeheim. Bislang hatte sich meine Mutter, sie war bis zur Pensionierung Krankenschwester, um meinen Vater gekümmert. Doch die tägliche Medikamentengabe, die Spritzen gegen die Zuckerkrankheit, die spezielle Ernährung und auch die Körperpflege meines Vaters wurden ihr zu viel. Da sie täglich eine Stunde marschiert, suchten wir ein Pflegeheim, das für sie leicht zu erreichen war. Leider war in der Betreuungseinrichtung in ihrem Heimatort kein Platz frei, deshalb entschieden wir uns für ein Heim im nahen Villach. 

Wie kamen Sie mit den administrativen Aufgaben zurecht?

Wer zum ersten Mal mit so einer Situation konfrontiert ist und sich bislang nicht mit dem Thema „Pflege“ auseinandergesetzt hat, ist schnell überfordert. Unzählige Fragen galt es zu klären: Wie viel kostet der Platz im Pflegeheim? Wie hoch ist das Pflegegeld? Wie beantragt man Pflegegeld? Welche Kosten werden von Bund und Land übernommen? An wen kann man sich bei Fragen wenden? Meine Mutter hätte sich in diesem Wirrwarr aus Meinungen und Ratschlägen niemals zurechtgefunden, darum habe ich alle Informationen eingeholt. 

Auch für mich war das alles andere als einfach. Da meine Mutter unbedingt einen Heimplatz in ihrer Ortschaft wünschte, dieser aber nicht frei war, wurde der Name meines Vaters auf eine Warteliste gesetzt. Bis ein Bett frei wurde, musste meine Mutter mit dem Autobus nach Villach fahren. Aufgrund einer Großbaustelle gestaltete sich die Anreise äußerst schwierig und langwierig. Nach einem halben Jahr bekam mein Vater schließlich den gewünschten Heimplatz. Und wir wurden mit neuen, unangenehmen Überraschungen konfrontiert. Das neue Heim buchte die monatlichen Kosten von mehr als 3.500 Euro sofort vom Konto meines Vaters ab, zeitgleich wurde für die Unterbringung im Villacher Heim eine Nachzahlung von 4.600 Euro gefordert. Dazu kam, dass die zuständigen Stellen in der Landesregierung es verabsäumt hatten, den Heimwechsel ordnungsgemäß abzuwickeln. 

Die Folge war, dass meinem Vater auch noch Unterbringungskosten für beide Heime verrechnet wurden. Sein ganzes Leben hatte er genügend Geld, jetzt war sein Konto plötzlich in tiefes Minus gerutscht, sodass die Bank besorgt bei meiner Mutter anrief, da sein ohnehin hoher Überziehungsrahmen für die Bezahlung der Kosten nicht mehr ausreichte. Für uns startete ein Telefonmarathon, der sich über Wochen hinzog. Beamter A war nur für den Heimplatz in Villach zuständig, Mitarbeiterin B für das Haus in der Ortschaft meiner Mutter. Ein Austausch zwischen den beiden fand offenbar nicht statt. A meinte, die Pension meines Vaters würde für die Kosten der Pflege und Unterbringung nicht ausreichen, B sagte, seine Pension sei so hoch, deshalb werde er als Selbstzahler eingestuft. Für einen zwischenzeitlichen abermaliger Krankenhausaufenthalt meines Vaters dürfe das Heim kein Pflegegeld verrechnen, meinte A., B. konnte dazu nichts sagen. In dieser Art ging es über Wochen weiter, es war kafkaesk und wir hatten den Eindruck, dass sich niemand wirklich richtig auskennt. 

Es dauerte relativ lange und bedurfte ausführlicher Recherche bis wir endlich Klarheit hatten und auch über Fehler seitens der Behörde informiert wurden. Schließlich wurde meinem Vater sogar Geld rückerstattet – weil wir uns aktiv darum gekümmert haben. 

Was raten Sie Menschen, die sich mit der Pflege eines Angehörigen auseinandersetzen müssen?

Fangen Sie lieber zu früh als zu spät damit an, sich Gedanken über (mobile) Pflegedienste oder eine Heimunterbringung zu machen. Speziell wenn ein Angehöriger bereits Anzeichen von Demenz zeigt, ist zeitgerechte professionelle Hilfe sehr wichtig. Informieren Sie sich über alle Möglichkeiten, die es gibt. In den Heimen und Pflegeeinrichtung geben die Mitarbeiter täglich ihr Bestes. Leider ist die Beratung von Bundesland zu Bundesland verschieden. 

So gibt es in der Bundeshauptstadt mit dem Fonds Soziales Wien eine Einrichtung, die hervorragend aufklärt und hilft. Leider ist das nicht überall so, wie man an unserem Fall sieht. Warum es in diesem Bereich noch keine einheitlichen österreichweiten Regelungen gibt, ist mir ein Rätsel. 

Wenn ein Angehöriger in die Pflegeeinrichtung kommt sollten Sie wissen, dass die Abrechnung erst etwa zwei Monate später erfolgt. So lange, das wurde mir in Kärnten mitgeteilt, dauere es, bis der Heimeintritt und die Verrechnungsmodalitäten verarbeitet werden. Wer, wie ich, keinen Überblick über die Kontobewegungen des Angehörigen hat, darf sich über unverhoffte Nachzahlungen von etlichen tausenden Euro nicht wundern. 

Für ältere Menschen, wie etwa meine Mutter, sind die Zahlungen schwer nachvollziehbar. Speziell wenn die Beamten von aliquoten Zahlungen zu sprechen beginnen. Es mag banal klingen, doch es bedurfte einiger Mühe meiner Mutter zu erklären, dass das Pflegegeld nicht direkt mit dem Heim verrechnet, sondern auf das Konto des Vaters überwiesen wird und er sich von diesem 45 Euro „Taschengeld“ behalten darf. 80 Prozent der Pension plus das Pflegegeld erhält das Heim, Mittel der Sozialhilfe oder Mindestsicherung sind nicht nötig, um in seinem Fall die Kosten abzudecken. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass im Heim Zusatzkosten anfallen können. Zum Beispiel für spezielle Pflegemaßnahmen.

Was wollen Sie mit AgeCare erreichen?

Einerseits will ich Bewusstsein für die Thematik mit dem Magazin, und ab kommendem Frühjahr mit dem AgeCare-Onlineportal, schaffen und dazu anregen, sich frühzeitig mit der Altersvorsorge auseinanderzusetzen, anderseits möchte ich die vielen Aspekte dieses Bereiches beleuchten und zwar so, dass sie von Betroffenen leicht verstanden werden können. Außerdem ist es mir ein großes Anliegen, auf die Wichtigkeit des Pflegeberufes aufmerksam zu machen. Wenn Gesellschaft und Politik jetzt nicht aktiv werden, dann möchte ich mir gar nicht vorstellen, was uns erwartet, wenn wir selbst einmal Pflege benötigen.        


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