Der Sommer steht vor der Tür: Die UV-Belastung steigt messbar und nach dem verregneten Mai stürzen die Menschen begeistert ins Freie. Jetzt heißt es vorsichtig sein. Markus Gschweidl, Bundesinnungsmeister der Augenoptiker, warnt aber: „Rund um Licht und dessen Auswirkungen auf unsere Körper herrscht Verwirrung. Wir warnen vor UV-Strahlen, aber wir brauchen sie zur Vitamin-D-Synthese, also zur Knochenbildung. Wir warnen vor Blaulicht, aber der blaue Anteil des Lichts sorgt dafür, dass wir wach werden. Es ist gerade jetzt wichtig, präzise zu erklären, wovor wir uns schützen müssen – und auf welche Art.“
UV-Licht und Augen: „Schützen jene am schlechtesten, die es am meisten brauchen“
Gschweidl sagt: „Das Wissen, unter welchen Bedingungen UV-Strahlen Augen schaden, ist in der Bevölkerung lückenhaft. Dramatisch gesagt schützen wir genau jene Menschen am schlechtesten, die den Schutz am dringendsten brauchen!“ 97 Prozent der Kinder tragen nicht regelmäßig eine Sonnenbrille – ihre Eltern hingegen sehr wohl. Dabei lassen die Augen von Kindern unter 10 Jahren 75 Prozent der UV-B-Strahlen durch. Ab 25 Jahren sind es nur mehr 10 Prozent. „Kein Wunder, dass 23 Prozent der lebenslangen UV-Belastung bis zum 18. Lebensjahr das Auge erreicht.“
Ein weiteres Missverständnis: Für die Augen ist oft die Mittagssonne das geringere Problem, da das Licht von oben und vorne durch Sonnenbrillen und Kappen abgehalten wird. Die versteckte Gefahr ist der seitliche Lichteinfall, etwa um 9 Uhr und um 15 Uhr. „Dagegen bieten die meisten Brillen keinen Schutz. Bei seitlichem Lichteinfall wird die Strahlung durch die Hornhaut und Linse zudem bis zu 20-fach verstärkt.“
Hautschutz: „Ich schmiere mich eh ein“
Auch das Wissen um den Schutz der Haut ist vielerorts noch mangelhaft. Für Norbert Sepp, Leiter der dermatologischen Abteilung des Ordensklinikum Linz Elisabethinen, ist der größte Irrglaube das allzu große Verlassen auf Sonnencreme: „Der häufigste Satz, den ich von Patienten höre, ist, ‚ich schmiere mich eh ein!‘ Aber das schützt nur begrenzt.“ Sonnencreme wehrt üblicherweise zwar UV-B-Strahlen zu 100 Prozent ab, UV-A hingegen nicht zur Gänze. „Der beste Schutz ist entweder ein mechanischer, beispielsweise ein Sonnenhut, oder das Verhalten: indem man die Anzahl der Sonnenstunden reduziert.“
Ebenfalls ein Irrglaube ist, dass Sonnenschutz nur in jungen Jahren wichtig ist. „Natürlich muss man die empfindliche Haut von Kindern besonders schützen. Aber weißer Hautkrebs tritt im Alter besonders häufig auf, da er Folge der kumulativen Sonneneinwirkung ist. Bei 80-Jährigen kommt weißer Hautkrebs viermal so häufig vor, wie bei 40-Jährigen. Da die Bevölkerung immer älter wird, steigt die Anzahl der Fälle drastisch. Bereits 2050 wird mehr als eine Million Österreicher älter als 80 Jahre sein.“
Wie gefährlich ist Blaulicht?
Doch UV-Strahlen sind nur die eine Seite. Blaulicht – der intensive, kurzwellige Bereich des sichtbaren Lichts – sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Während der blaue Anteil im Tageslicht positive Auswirkungen hat, wird vor Handy- und Computer-Displays und LED-Lampen gewarnt.
Das gilt auch für die Augen, resümiert Gschweidl: „Einerseits bremst das Spielen im Tageslicht bei Kindern die fortschreitende Kurzsichtigkeit ein. Andererseits gibt es Warnungen, wonach exzessive digitale Blaulicht-Emissionen Augenschäden wie etwa die Makuladegeneration mit sich ziehen können.“ Andere Studien deuten darauf hin, dass normale LED-Lichter oder Displays unterhalb dieser Schwelle liegen „Brillen mit Blaulichtfilter sind dennoch sinnvoll, da sie den digitalen Augenstress mindern – also das visuelle „Rauschen“, das Blendung und Augenermüdung erzeugt. Zudem mindern sie weitere, gravierendere Folgeerscheinungen.“
Dramatisch sind nämlich die Folgen für den Schlaf-Wachrhythmus. Blaulicht in der Nacht, etwa bei der Verwendung von digitalen Endgeräten, kann nicht nur zu Schlafstörungen und so zu chronischem Schlafmangel führen. Gerhard Klösch, Schlafforscher an der Medizinischen Universität Wien, schildert: „Blauwelliges Licht unterdrückt nachhaltig die Melatonin-Ausschüttung. Ein geringer Melatoninspiegel begünstigt das Entstehen bestimmter Krebsarten, beispielsweise Brust- und Prostatakrebs, spielt aber auch bei der Entstehung von Diabetes II und krankhaftem Übergewicht eine wichtige Rolle.“ Dabei kann die Beleuchtungsstärke durchaus gering sein (unter 20 Lux). Die Effekte zeigen sich nach 15 bis 20 Jahren. Der Schlafforscher empfiehlt, bei nächtlichem Licht gelbe, rote oder grüne Lichtquellen zu nutzen und Filter bei digitalen Endgeräten einzusetzen. „Wer vorhat, nach dem Nachtdienst zu schlafen, dem raten wir zu Blaulichtbrillen. Ansonsten sollte man untertags viel natürliches blaues Licht in Form von Sonnenlicht genießen.“
Innenräume: „Wir brauchen unterschiedliche Beleuchtungsstärken“
Im Lichtlabor der Donau-Universität Krems ist Leiter Gregor Radingerbesonders mit den Anforderungen der Menschen an das Licht in ihren Innenräumen befasst. „Menschen haben aufgrund ihrer evolutionären Prägung bestimmte Bedürfnisse. Heute, wo sie mehr als 90 Prozent ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen, finden sie aber ein gegenüber dem Außenraum deutlich verändertes Lichtangebot vor.“
Hier sieht Radinger viele Widersprüche. „Lichtmaximierung im Innenraum wird gleichbedeutend mit hoher Belichtungsqualität gesehen. Wenig bekannt ist, dass wir für licht-induzierte physiologische Prozesse, wie etwa die Melatonin-Ausschüttung, hohe und niedrige Beleuchtungsstärken-Niveaus benötigen, die im Innenraum bzw. aufgrund von Lichtverschmutzung in urbanen Gebieten kaum erreicht werden. Hier ist die Architektur gefragt.“ Die besondere Herausforderung für sie ist dabei, eine natürliche Raumbelichtung mit einer adäquaten thermischen Gebäudeperformance zu kombinieren.“ So etwa sollen sich die Räume dabei nicht zu sehr aufheizen.
Für Bundesinnungsmeister Markus Gschweidl ist abschließend klar: „Es gibt noch sehr viele Auswirkungen von Licht auf die menschliche Gesundheit, die noch unklar sind. Auf dem Gebiet der Forschung passieren dazu sehr spannende Dinge. Es ist für uns als Experten daher besonders wichtig, weiter aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sich jeder Mensch effektiv vor Gefahren des Lichts schützen kann, ohne dabei auf die positiven Auswirkungen zu verzichten.“
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