Direkt vor unserer Nasenspitze wachsen unzählige Schätze, die wir einerseits essen können und die uns zum anderen bei Krankheiten und anderen Problemen unterstützen, ja sogar heilen können. Tipps von der Salzburger Kräuterexpertin Karina Reichl.
Leider vertrauen viele Menschen vielfach lieber der Traditionelle Chinesische Medizin und verwenden Kräuter, Wurzeln und Heilpflanzen, die Tausende Kilometer von uns entfernt wachsen. Wir sollten uns rückbesinnen auf unsere Traditionen. Auch bei uns gibt es eine Vielzahl von Generation zu Generation weitergegebener alter und sehr wirkungsvoller Rezepte.
Und jeder kann sich die heilsame Kraft der Natur für ein natürliches, entspanntes und gesundes Leben nach Hause holen. Dazu muss man nur die zwölf wichtigsten heimischen Heilpflanzen kennen, wie man sie verarbeitet und wie sie in einer Fülle von Rezepten in der Küche, der Kosmetik und der Hausapotheke zum Einsatz kommen. Viele der Heilpflanzen kann man auch gut auf dem Balkon oder sogar Fensterbrett halten.
Naturküche:Gänseblümchen, Löwenzahn & Co.
Ich wiederhole immer wieder gern, dass Kräuter in erster Linie Lebensmittel sind. Und je mehr man davon in seine Ernährung einbaut, desto besser ist der Körper durch die vielen Inhaltsstoffe der Pflanzen gestärkt und gegen Krankheiten gewappnet. Mit meinen Naturküche-Anregungen möchte ich zeigen, welche Möglichkeiten die grünen Schätze vor der Haustür liefern. Ob gebackene Blüten am Stil, Sirupe oder herzhafte Leckereien: Man muss sich nur trauen und den Kräutern eine Chance geben. Viele sind erstaunt, wenn sie ihren ersten Wildsalat verkosten. Nussig, bitter, scharf - lauter Geschmacksrichtungen, die man von einem gekauften, in Plastik verpackten Salat aus dem Lebensmittelhandel nicht mehr kennt. Oft geben wir dann viel Balsamico und Öl darüber, weil der Salat an sich nach nichts schmeckt. Ein Wildsalat aber benötigt meist nur ein wenig Zitronensaft und etwas Olivenöl. Das reicht bereits, denn der Geschmack der Natur tut das Übrige. In meinen Wildkräutersalat kommen auf alle Fälle Gänseblümchen, Bärlauch und junge Löwenzahnblätter hinein. Je besser man die Kräuter kennenlernt und sicherer bestimmen kann, desto vielfältiger wird der persönliche Frühlingssalat.
Naturapotheke: Mädesüß - das natürliche Aspirin
Sowohl auf der körperlichen als auch der seelischen Ebene können uns regionale Heilkräuter gute Begleiter sein. Seit ich so viel in der Natur bin und Kräuter in meiner Ernährung einen festen Platz haben, bin ich so gut wie nicht mehr krank. Doch Menschen um mich herum freuen sich, wenn sie sich aus meiner Naturapotheke bedienen können. Das fängt beim ersten Halskratzen an und geht über schlaflose Nächte, Kopfschmerzen oder Muskelbeschwerden bis hin zu Frauenleiden wie Menstruationskrämpfen.
Aber man muss sich bewusst sein, dass Pflanzen eine starke Wirkung haben können. Wenn man bereits Medikamente nimmt, muss man mit dem Arzt abklären, ob man ergänzende Kräuter verwenden kann. Es kann nämlich zu Wechselwirkungen kommen. Aber man kann sicherlich selbst einschätzen, ob man bei jedem kleinen Kopfschmerz gleich eine Tablette nehmen will oder es einmal mit einem Tee aus Mädesüßblüten versuchen möchtest. Dieser ist schweißtreibend. Es simuliert das Fieber, und das unterstützt den Körper beim Heilungsprozess. Noch dazu lindert der Tee die schmerzhaften Erkältungssymptome. Und wenn man bereits Fieber hat, wirkt der Mädesüßtee fiebersenkend. Er ist also immer eine gute Ergänzung zu allen anderen Maßnahmen bei Erkältung, Grippe oder einem grippalen Effekt.
Naturkosmetik: Rosenblütenblätter für strahlende Haut
Aluminium in Deos, Mikroplastik in Duschgels, chemische Mittel zur Konservierung: Gerade im Bereich Kosmetik wird der Ruf nach natürlichen Alternativen immer lauter. Und auch hier lässt sich mit Kräutern gut arbeiten. Denn unser größtes Organ, die Haut, nimmt viele sekundäre Pflanzenstoffe auf wie bei einer Creme aus Rosenblütenblättern. In der Naturkosmetik ist es sinnvoll öfters kleinere Mengen zu produzieren, weil die lange Haltbarkeit durch fehlende Konservierungsstoffe nicht gegeben ist. Dafür weiß man aber genau, was drinnen ist – wie bei einem natürlichen Cremedeo aus Olivenöl. Dafür braucht man nur 100 Milliliter Olivenöl, 40 Gramm Bienenwachs, 4 Tropfen ätherisches Öl nach Lust und Laune (wegen des frischen Geruchs passt sehr gut Orange) und 2 Esslöffel Natron. Zum Abfüllen kann man Silikonform für Pralinen verwenden.
Sich des grünen Glücks bewusst sein
Ich bin davon überzeugt, dass wir erst am Anfang stehen, uns endlich wieder auf das zu besinnen, was wir sind: ein Teil der Natur. Und deshalb sollten wir der Natur auch mit viel Respekt und Achtung gegenübertreten und achtsam mit den Geschenken der Natur - den Kräutern, Pflanzen und Beeren - umgehen.
Rezepte zum Ausporbieren
Creme-Deo mit Olivenöl
Zutaten: 100 Milliliter Olivenöl 40 Gramm Bienenwachs
4 Tropfen ätherisches Öl nach Lust und Laune (wegen des frischen Geruchs passt sehr gut Orange) 2 Esslöffel Natron
In einem Topf werden auf niedriger Temperatur Olivenöl und Bienenwachs erwärmt und so lange vermischt, bis sich alles aufgelöst hat. Danach den Topf vom Herd nehmen und kurz abkühlen lassen. Nun das ätherische Öl und das Natron hinzugeben und gut einmischen. Mit einem Esslöffel in die Silikonform füllen und abkühlen lassen. Da das Natron immer wieder zu Boden sinkt, solltest du immer alles erneut im Topf umrühren, bevor du den nächsten Esslöffel voll herausholst.
Nach kurzer Zeit wird alles in der Form fest (am schnellsten funktioniert es im Kühlschrank), und danach kannst du die Cremedeos herauslösen. Ich lagere die fertigen Stückchen auf einem kleinen Teller im Bad, wo es nicht zu warm ist. Auch der Kühlschrank ist im Sommer ein guter Platz, damit die Deopralinen nicht schmelzen. Übrigens: Auch ein toller Geschenktipp für Freunde und Familie
Mädesüßtee
Zutaten: 1 Esslöffel getrocknete Blüten, ¼ Liter Wasser.
Die getrockneten Blüten mit kochendem Wasser übergießen und zehn Minuten zugedeckt ziehen lassen. Abseihen und etwas abgekühlt trinken.
Kopfwehtinktur
Fülle ein Schraubglas zu einem Drittel mit frischen Blüten. Dafür solltest du die Blütenköpfe vorab ein wenig zerkleinern. Dann alles bis oben hin mit dem Alkohol vollfüllen und verschließen. Der Auszug sollte zwei bis vier Wochen stehen bleiben und idealerweise täglich einmal geschüttelt werden, damit die Wirkstoffe auch gut in den Alkohol übergehen. Sobald der Alkoholauszug fertig ist, alles abseihen und in dunkle Tropflaschen füllen. Du kannst die Tinktur natürlich auch mit getrockneten Mädesüßblüten herstellen. Je nach Körpergröße und Gewicht kannst du bei Kopfschmerzen ein- bis dreimal am Tag 15-20 Tropfen einnehmen. Wenn du die Tropfen nicht pur nehmen möchtest, kannst du sie auch in einem Glas Wasser lösen.
Fräulein Grüns Erfahrungstipp
Da die Mädesüßblüten sehr schnell wieder verwelken, solltest du sie am besten sammeln, wenn noch ein paar geschlossene Blütenknospen dabei sind. Beim Transportieren der gesammelten Pflanze solltest du einen Karton oder etwas Ähnliches verwenden. Lege dort die Blüten vorsichtig hinein, sonst verlieren sie viel von ihrem wertvollen Blütenstaub. Zu Hause angekommen, lege die Pflanzen aus und gib ein dunkles Tuch darüber. Die noch vorhandenen Tierchen, die sich in den Blüten versteckt haben, folgen dem Licht und krabbeln unter dem Tuch hervor. Diesen Trick kannst du auch beim Holunder und jeder anderen Pflanze anwenden.
Wo du es vor der Haustür findest
Das Mädesüß mag feuchte Füße. Überall da, wo Wasser fließt, oder auf feuchten Wiesen wirst du diese Heilpflanze finden. Du kannst dir das Mädesüß auch nach Hause in den Garten oder in einen Topf auf den Balkon holen. Hauptsache, du vergisst es nicht zu gießen.
Erkennungsmerkmale
Auch wenn das Mädesüß zu den Gewächsen der Rosacea gehört, erinnert der Blütenkopf ein wenig an ein watteartiges Doldengewächs. Der Kopf besteht aus vielen einzelnen, kleinen cremefarbenen Blüten. Der Stängel ist leicht rötlich und die Blätter sind meist dunkelgrün und gei federt, an der Unterseite sind sie leicht behaart.
Sammelzeit
Gesammelt werden kann das Mädesüß in den Sommermonaten Juni, Juli, August.
Was du verwenden kannst
Blüten und Blätter.
Wilder Kräuteraufstrich
Zutaten: 1 Becher Topfen, 1 Becher Sauerrahm oder Joghurt, etwas Salz und Pfeffer,
1 Handvoll Wildkräuter der Saison wie Gänseblümchen, Löwenzahnblätter oder Blüten vom Roten Klee.
Den Aufstrich bereite ich zu Hause schon so weit vor, dass ich alles vermische und mit etwas Geschirr mit zum Picknick nehme. Dort werden dann die gesammelten Wildkräuter frisch geschnitten und untergemischt.
Betörende Rosen-Körpercreme
Für diese Körpercreme werden Rosenöl und Rosenwasser benötigt. Als Erstes musst du das Öl herstellen, das zwei Wochen benötigt, damit die Inhaltsstoffe der Blüten in das Öl übergegangen sind. Die Rosenblüten werden in ein Glas gefüllt. Danach das Mandelöl bis zum Glasrand auffüllen, Glas verschließen. Nun muss das Öl zwei Wochen lang auf dem Fensterbrett ausziehen.
Wesentlich schneller fertig ist das Rosenwasser. Das ist nämlich wieder ein Rosentee: zwei Teelöffel frische Rosenblüten mit einem viertel Liter heißem Wasser übergießen, zehn Minuten ziehen lassen. Abseihen und abkühlen lassen.
Nun bist du so weit, die Rosencreme zusammenzurühren.
Fräulein Grüns Erfahrungstipp
Wenn du Rosenblüten gleich welcher Art sammelst, sollte das an einem trockenen Vormittag bis zehn Uhr geschehen, denn dann ist die Konzentration des wertvollen ätherischen Öles am höchsten.
Wo du die Rosen vor der Haustür findest
Die wilde Rose wächst häufig an Waldrändern, bei Hecken und Gebüschen. Sie liebt einen sehr sonnigen Standort. Die Apothekerrose wächst gern auf Lehm- und Tonböden. Du kannst dir natürlich beide Arten in den Garten holen, wenn du einen hast. Aber auch jede andere, nicht mit Chemie behandelte Rose macht sich auf dem Balkon in Töpfen sehr gut, wo du die Blütenblätter für Tee oder ein Rosenöl verwenden kannst.
Erkennungsmerkmale
Die Hundsrose ist ein Strauch mit hängenden und stacheligen Ästen. Die Blüten sind groß, rosa-weiß und ungefüllt. Die Apothekerrose ist ein niedriger Strauch, nicht höher als anderthalb Meter. Die duftenden Blüten sind rosa bis rot.
Sammelzeit
Die Blüten der Hundsrose lassen sich ab Juni, die der Apothekerrose ab Juli sammeln.
Was du verwenden kannst
Für Heil- ebenso wie für Kosmetikzwecke eignen sich die Blüten.
Foto: Frank Bauer