Wohnen ohne Barrieren – darauf sollten Sie achten

Selbstständigkeit ist für viele ältere Menschen keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern purer Luxus. Und sie gelingt nur dann, wenn die Wohnung optimal den Bedürfnissen des Alters angepasst ist.

Fast 80 Jahre alt ist Oma Berta mittlerweile. Im Kopf noch völlig fit und immer zu Scherzen aufgelegt. Aber ihr Körper macht bei ihrer Lebensfreude nicht mehr ganz mit. Eine Pflegehilfe kommt für sie nicht in Frage, am liebsten würde sie alles noch ganz alleine erledigen. Deshalb hat sie sich auf ihre alten Tage dazu entschieden, ihr Zuhause barrierefrei zu gestalten.

Die einfachsten Veränderungen hat sie bereits durchgeführt. Rutschfeste Matten und ein Duschhocker im Badezimmer, Haltegriffe neben der Toilette, ein höhenverstellbares Bett, Greifzangen für die oberen Regalbretter und eine Uhr mit extragroßen Ziffern, falls sie wieder einmal ihre Lesebrille verlegt haben sollte. Aber gerade die wichtigsten Maßnahmen lassen sich nur mit einem Umbau umsetzen.

Keine Stolperfallen im Garten

Der Weg vom Gartenzaun zum Haus ist komplett ebenerdig. Keine Stufen, keine Stolperfallen. Aber zur Eingangstüre führen drei kleine Stufen nach oben. Deshalb haben Oma Berta und ihr Mann eine Rampe einbauen lassen. Neue Lampen mussten auch entlang des Weges und neben dem Hauseingang errichtet werden.

In der Nacht sehen die beiden auch mit Brille nicht mehr so gut. Und über der Eingangstüre haben sie ein Vordach angebracht. Falls das Schlüsselsuchen einmal länger dauern sollte, wollen die beiden nicht im Regen stehen. Mit dem Auto fahren sie zwar nur mehr selten, aber nur für den Fall haben sie sich einen Parallelparkplatz angemietet, damit sich niemand so nah an ihren Pkw stellen kann, dass sie die Türe nicht mehr öffnen können. 

Ein Treppenlift erleichtert das Leben 

Oma Berta wohnt in einem zweistöckigen Haus. Jeden Tag steigt sie immer wieder die zwanzig Stufen ins obere Stockwerk. Noch ist sie fit genug dafür, aber irgendwann wird sie dieses Hindernis nicht mehr überwinden können. Dann kommt ein Treppenlift zum Einsatz. Eingebaut ist er schon. An den Ein- und Ausstiegsstellen muss dafür mindestens zwei Quadratmeter Platz sein. Bei Oma Berta ging sich das gerade so aus. Aber immerhin musste sie sich keine Sorgen wegen der Wand machen, die ist nämlich tragend und hält das Gewicht eines solchen Liftes locker aus. Bis sie die Stiegen aber gar nicht mehr nach oben kommt, reicht ihr der bis in den nächsten Stock durchgängige Handlauf, den sie sicherheitshalber auf beiden Seiten der Treppe angebracht hat. 

Das Vorzimmer selbst ist das Sorgenkind. Es ist nur einen Meter breit. Ein Rollstuhl würde hier nicht mehr durchpassen. Der braucht mindestens zwanzig Zentimeter mehr. Genauso geht es Oma Berta mit ihren Türen. Keine davon ist die empfohlenen achtzig Zentimeter breit. Das machen die französischen Fenster aber wieder wett. So kann die alte Dame auch im Liegen nach draußen sehen und müsste, selbst wenn sie bettlägerig werden sollte, nicht auf die Aussicht in den naheliegenden Park verzichten. 

Rutschgefahr im Badezimmer

Im Badezimmer lauern allerlei gefährliche Situationen, gerade für Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind. Deshalb gibt es hier ganz besonders viele Hilfsmittele zur Unterstützung.

Einen Lift, der sie in die Badewanne hebt, braucht Oma Berta zwar noch nicht, dafür hat sie sich einen Duschhocker zugelegt. So kann sie beim Duschen bequem sitzen und muss sich keine Sorgen machen auszurutschen. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat sie deshalb auch überall Haltegriffe angebracht. Neben der Badewanne, der Toilette und beim Waschbecken – man weiß ja nie.

Und auf dem Boden und in der Badewanne liegen zur Unterstützung noch rutschfeste Matten. Der richtige Umbau steht aber noch bevor. Eine neue Tür soll eingebaut werden, die man von außen entriegeln kann. Falls Oma Berta stürzt. Auch ein neues Klo steht auf der Wunschliste. Ein höhenverstellbares.

Dazu ein passendes Waschbecken. Und der Spiegelschrank darüber soll mit einem Griff auf die richtige Höhe gezogen werden können. Auch die Dusche muss komplett raus. Die neue soll keine Schwelle mehr haben, dafür Platz für eine weitere Person, falls Unterstützung notwendig ist. Neben der höhenverstellbaren Brause hat sich Oma Berta noch ein ganz besonderes Extra ausgesucht – eine Temperaturbegrenzung. So kann das Wasser eine bestimmte Temperatur nicht mehr übersteigen und Verbrennungen gehören der Vergangenheit an.  

Kleine Helfer in der Küche

Die Küche ist ein besonders schwieriges Unterfangen. Eigentlich müssen alle alten Möbel raus, um sie durch geeignetes Mobiliar zu ersetzen. Höhenverstellbare Arbeitsflächen und Oberschränke, gut greifbare Griffe, Bedienungselemente auf einer leicht erreichbaren Höhe, eine Schräge in der Spüle zum leichteren Ausleeren von Töpfen.

Und alles in einer Farbe, die zu den Küchenutensilien einen guten Kontrast bietet und nicht spiegelt. Aber man kann auch in der Küche kleine Alltagshilfen einbauen, ohne viel Geld investieren zu müssen. Ein besonders großer Fan ist Oma Berta von der sprechenden Küchenwaage.

Zwar hat es eine Weile gedauert, bis sie sich mit dem Quatschkopf angefreundet hat, aber jetzt ist sie froh, nicht immer ihre Brille bei der Hand haben zu müssen, wenn sie kocht. Weil sie nicht mehr lange stehen kann, ohne Knieschmerzen zu bekommen, setzt sie sich oft mit ihrem Rollator mit eingebautem Schneidbrett zu ihrem Mann ins Wohnzimmer. Der kann ihr dann auch helfen, die Gläser zu öffnen, was ihr seit ein paar Jahren, wegen der Arthritis, nicht mehr so gut gelingen will. Und ist ihr Mann mal nicht zu Hause hilft ihr eine Greifhilfe aus Gummi dabei. 

Hightech im Schlafzimmer 

Über dem Bett baumelt an einem Bettgalgen ein Haltegriff. Oma Berta wollte den eigentlich auf keinen Fall. Schon alleine den Namen findet sie furchtbar. Das klingt ja so, als würde sie jeden Moment tot umfallen. Aber ihre Tochter hat darauf bestanden. „Wenn’s mal so weit ist, dann will ich den nicht erst besorgen müssen“, hatte sie gemeint.

Also haben Oma Berta und ihr Mann nachgegeben. Das erhöhte Bett mit dem verstellbaren Lattenrost wollten sie aber selbst. Damit sie in der Früh besser hochkommen. Im Wandschrank steht auch ein Toilettenstuhl, aber der bleibt erst mal dort, solange die beiden noch keine Pfleger brauchen.   

Bezüglich der Technik hat sich im Schlafzimmer auch einiges verändert. Das Licht, die Heizung, der Türöffner, Telefon, die Jalousien, der Fernseher – das alles kann das Ehepaar jetzt gemütlich vom Bett aus bedienen. Dazu ist an der Wand neben dem Bett ein kleiner Bildschirm angebracht, mit dem sich alles bequem steuern lässt. Auf dem Weg vom Schlafzimmer ins Bad sind mehrere kleine Lampen angebracht, die mit einem Bewegungsmelder gesteuert werden. So muss sich auch niemand mehr Sorgen machen, in der Dunkelheit zu stolpern.

Viele kleine Helferlein

Nie hätte Oma Berta erwartet, dass sie den Lichtschalter einmal nicht mehr finden könnte. Zwar war es dunkel, aber auf diesen Schalter drückt sie schon seit Jahrzehnten jedes Mal, wenn sie das Badezimmer betritt. Trotzdem hat es eines Nachts einige Minuten gedauert, bis das Licht endlich anging. Da fasste sie den Entschluss, einfach alles zu markieren, was sie nicht übersehen durfte.

Die Lichtschalter bekamen einen knalligen, im Dunklen leuchtenden Anstrich, auf die erste und letzte Treppenstufe kam eine gelbe Markierung, die Glastür zur Küche wurde mit Fensterstickern beklebt. Das Treppengeländer strich sie schwarz, damit es vor der weißen Wand besser zu sehen war, die hellen Teppiche wichen dunklen, um einen besseren Kontrast zum Parkettboden zu bieten.

Irgendwann müssen die Steckdosen auch höher angebracht werden, damit sich die alte Dame nicht mehr so oft Bücken muss. Auch von vielen ihrer Möbel wird sie sich trennen müssen, falls sie irgendwann einen Rollstuhl braucht, damit sie genug Platz zur Fortbewegung hat. Das kann aber noch warten, bis es so weit ist.

Stück für Stück hat Oma Berta auch allerlei Haushaltsgegenstände angesammelt, die ihr im Alltäglichen Leben nützlich erschienen. So bekam ihr Mann zum letzten Geburtstag eine Armbanduhr mit extragroßen Ziffern geschenkt. Weil die beiden nicht mehr so beweglich sind, hängt im Badezimmer auch ein Rückenwaschgurt.

Und in einer Kiste unter dem Waschbecken in der Küche ist Plastikgeschirr und Besteck mit extragroßen Griffen verstaut. Das will Oma Berta aber noch nicht verwenden, auch wenn es mit ihrer Arthritis eine große Erleichterung wäre. „Wie ein Kleinkind will ich erst essen, wenn ich auch im Kopf wieder eines bin“, meint sie. Nach all den Änderungen ist die Wohnung zwar kaum wiederzuerkennen, aber immerhin weiß Berta jetzt, dass sie bis zuletzt in ihrem geliebten Zuhause bleiben kann. 

Drei Fragen an Florian Hemetsberger-Doff, Country Manager Austria, Invacare

Welche Hilfsmittel im Bereich der häuslichen Pflege sind besonders gefragt?

Derzeit vor allem Dusch- und Toilettenhocker, Haltegriffe und in vielen Haushalten unser Badwannenlifter Orca. Er wird auch von Pflegekräften verwendet. Der Trend geht aber eindeutig hin zu barrierefreien Bädern mit Duschen, in denen verstärkt Duschhocker verschiedenster Art zum Einsatz kommen.

Worauf sollte beim Kauf geachtet?

Die Produkte sollten unbedingt eine CE Zertifizierung haben. 2020 sind zudem sehr strenge EU-Vorgaben in Kraft getreten, die durch die neue Medizinprodukte-Richtlinie verschärft werden. Alle Hersteller sind dann angehalten, ihre Produkte bis ins Detail zu testen ­– diese Tests stellen bis zu einem gewissen Grad eine Qualitätssicherung für die Konsumenten dar.

Ich empfehle, Hilfsmittel für die häusliche Pflege ausschließlich im Fachhandel zu kaufen und nicht online oder bei einem Discounter. Viele Produkte sind erklärungsbedürftig und einweisepflichtig, die entsprechenden Informationen zu diese Medizinprodukte bieten ausschließlich Mitarbeiter des Fachhandels. Entfällt die Information, ist das ab dem kommenden Jahr sogar ein Gesetzesverstoß.

Welche Entwicklungen erwarten Sie im Pflegebereich?

Die häusliche Pflege wird immer mehr in den Fokus rücken, da es zu wenig Plätze in Altenbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen gibt. Die Patienten werden verstärkt daheim von Angehörigen oder Pflegepersonal betreut, ohne Hilfsmittel geht das in den seltensten Fällen. Stark nachgefragt sind Hubhilfen. Klassische Patientenlifte oder Steh- und Aufstehhilfen.

Damit erfolgt der Patiententransfer vom Bett in den Rollstuhl oder in die Dusche ergonomisch, kraftunaufwendig und gleichzeitig patientenschonend. Unsere Produkte sind im häuslichen Bereich gefragt, werden aber auch – in einer etwas größeren Ausführung – in professionellen Institutionen angewendet. Der Trend Richtung Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Wir haben uns darauf mit Heimautomationen, der Steuerung von Produkten mittels Mobiltelefon bis hin zur Auswertung von Daten eingestellt. Als Unternehmen wollen wir den Bedarf des Pflegenden oder des Pflegepersonals 24 Stunden am Tag abdecken und alles aus einer Hand anbieten können. 

Foto: Invacare

 

 


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