„Die Bundesregierung hat das Jahr 2020 zum ‚Jahr der Pflege‘ ausgerufen. Dann ist Corona dazwischengekommen. Doch gerade die Coronakrise hat einmal mehr gezeigt, wie systemrelevant das Pflegewesen ist – Corona darf daher nicht als Bremse, sondern muss als Turbo für die Pflegereform verstanden werden“, fordern Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und Gesundheitsreferentin LHStv.in Beate Prettner. „Wir müssen die Pflege zukunftsfit machen. Und zwar jetzt! Nichts darf mehr dazwischenkommen“, so Kaiser und Prettner. Vor allem die Tatsache, dass bis 2030, also in rund neun Jahren, österreichweit mehr als 75.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt würden, müsste „umgehend zum Handeln führen“.
Kärnten habe bereits vor Monaten konkrete Forderungen und Vorschläge an den Bund übermittelt: „Unsere sechs Vorschläge sind eine Ausbildungsoffensive mit der Etablierung der Pflege mit Matura an öffentlichen Schulen; die Aufnahme der Ausbildung zur Pflegekraft in die Liste der AMS-Fachkräftestipendien; eine Änderung der Pflegegeldeinstufung inklusive jährliche Erhöhung des Pflegegeldes; einheitliche Qualitätsstandards für die 24-Stunden-Betreuung; die Etablierung von Pflege-Servicestellen in den Gemeinden nach dem Kärntner Vorbild „Pflegenahversorgung“; sowie die Abgeltung des Pflegeregresses durch den Bund.
„Wir wissen nicht erst seit gestern, dass Österreich bis zum Jahr 2030 zusätzliche 75.000 Pflegekräfte benötigen wird. Eine Ausbildungsoffensive, wie sie bereits vor zwei Jahren angekündigt wurde, ist dringend nötig – sie ist quasi Dreh- und Angelpunkt jeder Pflegereform“, appellierten Kaiser und Prettner. Kärnten habe schon 2018 eine Ausbildungsoffensive gestartet: „Unser Ziel war es, bis Ende 2021 die Zahl der Absolventen zu verdoppeln. Und wir sind auf einem sehr guten Weg. Aktuell stehen knapp 1.200 zukünftige Pflegekräfte in Ausbildung. Allerdings ist jetzt ein bundesweiter Schulterschluss zwingend – so benötigen wir den Ausbildungsschwerpunkt Pflege auch an den öffentlichen Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS)“, sagte Kaiser als Bildungsreferent. „An BMHS werden so unterschiedliche Schwerpunkte wie Technik, Handelswissenschaften, Sport, Mode, Gastronomie und Tourismus angeboten – es ist unverständlich, weshalb man eine der größten und wichtigsten Wachstumsbranchen, nämlich den des Gesundheits- und Pflegebereiches, noch nicht berücksichtigt hat“, so Kaiser. „Aktuell hat das Bildungsministerium die Pflege mit Matura nur an privaten Schulen genehmigt. Dieses Pilotprojekt soll sieben Jahre dauern, danach evaluiert werden – und erst dann könnte eine Ausweitung auf das öffentliche Schulwesen erfolgen. Im Klartext heißt das: Frühestens im September 2027 würde die Pflegeausbildung an öffentlichen BMHS erlaubt werden. Die ersten Absolventen hätten wir dann im Sommer 2032. Das sagt eigentlich alles darüber aus, um wie viel zu spät es ist“, warnten Kaiser und Prettner.
Eine weitere Maßnahme, um den absehbaren Personalengpass zu beheben, wäre die Verlängerung der Bildungskarenz von zwölf auf 24 Monate. „Dadurch hätten Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich in einem qualifizierten Pflegeberuf ausbilden zu lassen, mit dem sie gleichzeitig auch einen Berufsschutz erlangen könnten“, so Prettner. Als „überfällig“ bezeichnete sie auch die Einführung eines Fachkräftestipendiums für die Pflegeausbildung: „Die Ausbildung für Pflegeassistenten ist in die Liste der förderbaren Ausbildungen beim AMS aufzunehmen. Das würde nicht zuletzt gerade nun, in Zeiten der coronabedingt hohen Arbeitslosigkeit, Sinn machen“, forderte die Gesundheitsreferentin.
Als einen Meilenstein in der Pflegeversorgung ortete Prettner eine Änderung der Pflegegeldeinstufung inklusive Erhöhung und jährliche Anpassung des Pflegegeldes: „Der gesamte Kriterienkatalog für die Pflegegeldeinstufungen muss überarbeitet werden, er ist nicht mehr zeitgemäß. Vor allem demenziell und psychisch erkrankte Personen werden massiv benachteiligt: Diverse Gerichtsprozesse haben bereits gezeigt, dass in 80 Prozent der beeinspruchten Fälle die Einstufung um zwei Stufen zu niedrig war – damit verbunden sind erhebliche finanzielle Verluste von bis zu 6.000 Euro pro Jahr“, kritisierte Prettner.
Österreich sei verpflichtet, jedem Menschen die für ihn richtige, die für ihn maßgeschneiderte Pflege zur Verfügung zu stellen. Ein „Altern in Würde“ müsse selbstverständlich sein und dürfe nicht von der Brieftasche abhängen, so Kaiser und Gesundheitsreferentin Prettner. Sie appellierten daher: „Die Weiterentwicklung und Absicherung des Pflegewesens benötigt unsere kollektive Kraftanstrengung. Sie benötigt Weitblick und Verantwortung. Kärnten ist dazu bereit – ziehen wir gemeinsam an einem Strang und kommen wir endlich vom Reden ins Handeln.“